Afghanistan, das in den Köpfen der meisten nur als krisengebeuteltes Hochgebirgsland existiert, ist ein Nationalitätenstaat mit jahrtausendealter Geschichte – geprägt von Herausforderungen, aber auch tiefer Gastfreundschaft, Lebensfreude und unerschütterlicher Zuversicht. Gelegen an der Schnittstelle von Süd-, Zentral- und Vorderasien entwickelte sich die Region zu einem regelrechten Hotspot ethnischer, kultureller und religiöser Vielfalt. Schon immer war Afghanistan ein Durchgangsland für Eroberer, die das Gebiet auf dem Weg nach Indien oder Persien passierten, um dort eigene Imperien aufzubauen. Alexander der Große, Dschingis Khan, Tamerlan, Perser, Araber und andere hinterließen am Hindukusch ihre Spuren.
Im Verlauf seiner wechselhaften Geschichte war Afghanistan aber nicht nur der Spielball fremder Mächte, sondern eine wichtige Drehscheibe für den Fernhandel zwischen Ost und West. Über die antike Seidenstraße, ein Netzwerk von Handelsrouten, das sich über weite Teile Asiens erstreckte und China mit dem Mittelmeerraum verband, brachten Karawanen neben Waren neue Ideen, Technologien, Glaubensvorstellungen und kulturelle Einflüsse in die Region. Noch vor dem Islam gelangten so die Lehren Zarathustras und des Buddhismus ins Land.
Bedeutende Knotenpunkte wie Balkh, Kabul, Dschalalabad, Herat und Bamiyan entwickelten sich zu florierenden Umschlagplätzen, an denen nicht nur Wohlstand und Arbeitsplätze, sondern auch neue Berufe, Fähigkeiten und Spezialisierungen entstanden. Darunter Karawanenführer, Dolmetscher, Sicherheitspersonal, Kunsthandwerker oder Geschichtenerzähler. Lukrative Exportmärkte für Afghanistans immense Rohstoffvorkommen wie Lapislazuli, Kupfer und Zinn entstanden und mit ihnen wegweisende Innovationen in Bergbau, Metallverarbeitung und Bronzeherstellung. Ariana, wie griechische und römische Geografen das Land mitten im Herzen Asiens nannten, spielte bei der Globalisierung der antiken Welt daher eine nicht zu unterschätzende Rolle.
Seine strategisch günstige Lage zwischen wichtigen Akteuren wie Indien, Iran und den ehemaligen Sowjetrepubliken Zentralasiens machte Afghanistan für fremde Mächte zu einem begehrten Gebiet. Politische Unruhen, Konflikte und Kriege haben so im Verlauf der Geschichte immer wieder zu einem dramatischen wirtschaftlichen Niedergang geführt. Mit der Verlagerung des Handels vom Land- auf den Seeweg verlor mit der Seidenstraße auch Afghanistan seine Bedeutung für die weitere Globalisierung der Welt. Heute versuchen moderne Initiativen wie das UNESCO-Programm „Great Silk Road“ und Chinas „One Belt, One Road“-Projekt, das Erbe der Seidenstraße wiederzubeleben und die Zusammenarbeit zwischen den Ländern zu fördern.